Als Keynote-Speaker konnte die Bayerische Hausbau Matthias Hollwich, Gründer des New Yorker Architekturbüros HWKN, gewinnen – das Magazin Fast Company führt ihn nicht grundlos unter den zehn innovativsten Architekten der Welt auf. In seinem Impulsvortrag stellte Hollwich verschiedene Spielarten der Sharing Economy vor und erläuterte, welchen Einfluss sie auf seine Arbeit als Architekt haben – so wie das so genannte „Flx Live. Home of Pioneers“: Statt hier Micro-Housing, dort Co-Living, danach Luxury Living und dann Retirement Living zu bauen, geht es bei diesem Projekt um die Frage, wie man über ein vereinfachtes System möglichst alle Generationen und möglichst viele unterschiedliche Menschen zusammenbringen kann. „Zum Beispiel mit dem Grundriss einer Dreizimmerwohnung aus zwei Studioapartments mit jeweils separaten Eingängen und einem flexiblen Bereich in der Mitte“, veranschaulichte Hollwich die Idee. „So kann man beispielsweise einen Teil der Wohnung als Co-Working- oder als Arbeitsbereich weiterentwickeln – oder man trennt einen Teil ab und erhält so eine Zweizimmer- und eine Einzimmerwohnung.“ Das flexible Konzept ermöglicht es, verschiedene Lebensbedingungen und -entwürfe abzubilden. „Die Menschen müssen nicht ein- und ausziehen, sondern können miteinander leben. Ein solches Angebot ist attraktiv für ältere, aber auch für jüngere Generationen“, sagte Hollwich, der bei der Sharing Economy im Wohnbereich vor allem finanzielle, soziale und ökologische Vorteile sieht. Gegenüber Amerika hinke Deutschland bei der Umsetzung allerdings noch etwas hinterher.
Perspektiven und Grenzen der Sharing Economy
Hochkarätig besetztes Podium
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Matthias Hollwich Christian Balletshofer von der Bayerischen Hausbau, Christian Hadaller, Vorstand der KOOPERATIVE GROSSSTADT eG, Dr. Heike Piasecki, Prokuristin und Niederlassungsleiterin München bei bulwiengesa, sowie Münchens Stadtbaurätin Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk teil. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Julian Petrin, Geschäftsführer von urbanista, einem der führenden Büros für Stadtentwicklung und urbane Zukunftsstrategien.
Mit seiner ersten Frage griff Julian Petrin sodann auch die durchaus provokante These aus dem Impulsvortrag von Matthias Hollwich auf, warum Deutschland mit der Sharing Economy spät dran sei und wie es sich damit in der bayerischen Landeshauptstadt verhalte. Stadtbaurätin Elisabeth Merk räumte ein, „nicht sofort bei jedem Hype dabei zu sein, vielleicht auch, weil wir reflektieren – was ja durchaus gut ist.“ Sie verwies aber auch speziell auf das Genossenschaftsmodell, das ein europäisches Modell, mit Wurzeln vor allem in Deutschland und Österreich sei. Außerdem gäbe es sehr wohl bereits zahlreiche Sharing-Elemente in München – bei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, aber auch bei privaten Bestandshaltern. „Diese Projekte sind nicht immer so spektakulär wie bei den High Performern, aber darum geht es ja nicht. Unser Anliegen als Stadt ist es, solche Programme im Wohnungsbau letztlich für alle zu ermöglichen, für die Mitte der Gesellschaft“, so Merk.
Verschiedene Perspektiven
Auch Christian Hadaller hob den genossenschaftlichen Gedanken hervor, bei dem Gewinne nicht irgendwohin abfließen, sondern letztlich bei den Nutzern bleiben würden. „Das ist auch gesamtstädtisch betrachtet entscheidend. Denn am Ende teilen wir uns doch alle miteinander diese Stadt. Wir teilen uns den Grund und Boden, die Infrastruktur, die Ressourcen und die Schönheit der Stadt. Nur kommen die Anteile eben nicht bei jedem gleichermaßen an. Sharing wäre ein Tool, um solche Effekte zu korrigieren – sofern es den ökologischen und sozialen Wandel mitgestaltet“, bekräftigte Hadaller. Allerdings glaube er nicht, dass das wirtschaftsgetrieben funktioniert.
Christian Balletshofer entgegnete, dass er als Vertreter eines ökonomisch orientierten Immobilienunternehmens natürlich eine andere Sicht der Dinge habe. „Wir orientieren uns extrem stark am Kundennutzen. Wir fragen uns, wie sich eine Gesellschaft entwickelt und welche Bedürfnisse sich aus dieser Entwicklung heraus ergeben“, so Balletshofer. „Moderne Sharing-Konzepte beim Wohnen sind sehr eng verwoben mit der Digitalisierung. Ohne Digitalisierung sind sie ab einer gewissen Größenordnung undenkbar. Insofern glaube ich, dass man auch bei uns in großen Quartiersentwicklungen diese Konzepte verstärkt sehen wird. Weil unsere Kunden das wollen. Und weil wir hier langfristig marktfähige Produkte erschaffen."
Natürlich spielte in der Diskussion nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit, die Sharing Economy mit sich bringt, eine Rolle, sondern auch das nachhaltige Investment. Heike Piasecki bestätigte in diesem Zusammenhang, dass eine nachhaltige Investmenthaltung in vielerlei Hinsicht immer wichtiger werde. „Hinter den Themen, über die wir hier sprechen, stehen ja letztlich Investorenmodelle – vom Co-Living über das Co-Working bis zu den Sharing-Modellen“, sagte Piasecki. „Gleiches gilt für die ESG-Kriterien, die jetzt definiert werden und bei Investitionen zunehmend Berücksichtigung finden.“ Neben der Nachhaltigkeit rücke gerade das Thema Soziales zunehmend in den Fokus. „Von der Finanz-, aber auch der Anlegerseite her werden jetzt zum Beispiel verstärkt Immobilien mit gesellschaftlichem Nutzen nachgefragt. Das fängt mit dem Segment Kindergarten an bis hin zu Seniorenwohnungen in der gesamten Bandbreite.“
Sharing Economy als Chance sehen
Einig waren sich die Podiumsteilnehmer darin, dass Sharing Economy für einen ökologischen und sozialen Wandel eine große Rolle spielen kann. Rückblickend auf das von ihr besuchte 500-jährige Jubiläum „Fuggerei in Augsburg“ hatte Elisabeth Merk abschließend noch eine – nicht ganz ernst gemeinte – Idee für ein gemeinsames Zukunftsprojekt aller Podiumsteilnehmer: „Ich würde mir wünschen, dass die Bayerische Hausbau als Münchner Traditionsunternehmen zusammen mit Herrn Hadaller von der Genossenschaft und den guten Ideen des Herrn Hollwich eine ‚Fuggerei Next‘ hier in München umsetzt. Frau Dr. Piasecki und Herr Dr. Petrin beraten dann und ich genehmige das!“
Zur Umsetzung dieses Projekts wird es wohl nicht kommen. Viele neue Gedankenansätze hat das Fachgespräch aber auf alle Fälle hervorgebracht – das war auch in den Gesprächen der rund 140 Besucher beim abschließenden Get-together zu spüren.
Einen Video-Zusammenschnitt des Fachgesprächs finden Sie unter www.hausbau.de/fachgespraech.