Schon die Lage verrät, wie außergewöhnlich dieses Projekt war: Die Uferwand ist zugleich die Gebäudewand. „Das Gebäude liegt so, dass wir an der Nordseite praktisch im Wasser gearbeitet haben. Den üblichen Arbeitsraum zwischen Gebäude und Wasserlauf gab es nicht“, beschreibt Projektleiter Julian Lill die Ausgangssituation.
Ein Ort taut auf



Schmales Zeitfenster
Damit die Handwerker und Ingenieure überhaupt beginnen konnten, mussten sie auf die Bachauskehr warten: Einmal im Jahr unterbricht die Stadt den Wasserzulauf, um den Bach von Unrat zu befreien. „Wir hatten dann wenige Tage Zeit, um den Bachlauf deutlich einzuengen und dahinter einen trockenen Arbeitsraum zu schaffen“, erklärt Lill. Dafür wurden 150 Big Bags mit je rund 1,8 Tonnen Kies befüllt, im Bach positioniert und mit Hilfe von Spezialtauchern verankert. „Im Rückstau war das Wasser weg, vorne lief der Bach weiter“, erinnert sich der Projektleiter.
Parallel wurde das Gebäude statisch ertüchtigt. Die historische Kappendecke mit gusseiserenen Säulen blieb erhalten und architektonisch in Szene gesetzt.
Vielfältiges Ensemble
Auf nur 600 Quadratmetern kamen eine außergewöhnliche Vielzahl an Disziplinen zusammen: „100 bis zu 15 Meter tiefe Mikropfähle, Bohrpfahlwand, Rückverankerung, Restaurierung der Kappendecke, ein Terrazzoleger, der uns extra Platten mit Wasserstruktur gegossen hat – sogar ein Kirchenmaler war im Einsatz“, zählt Julian Lill auf. „So viele Spezialthemen vereint in einem Projekt, das ist wirklich sehr selten. Das hat uns als Team fachlich wie organisatorisch gefordert – aber genau darin lag auch der Reiz.“
Besonderes Augenmerk galt der original erhaltenen Eismaschine von Carl von Linde aus dem Jahr 1881 – die älteste Eismaschine der Welt am Originalstandort. Sie wurde gereinigt, konserviert, in die neue Nutzung integriert – und ist für Besucher erlebbar. Statt Produktionsstätte ist das Eiswerk nun ein architektonisches Kleinod mit Reminiszenz an die industrielle Vergangenheit.
In der ehemaligen Braumeistervilla und dem direkt angrenzenden Neubau ist eine moderne Kindertagesstätte entstanden. Das historische Gebäude und der von Steidle Architekten entworfene zusätzliche Baukörper bieten Platz für drei Krippen- und drei Kindergartengruppen mit direktem Zugang zum Garten. Die Fassade des Neubaus bezieht sich mit individuell gemischtem Ziegelmaterial auf das Eiswerk, während in der Putzfassade kleine Tierreliefs für kindgerechte Akzente sorgen. „Uns war wichtig, dass sich die Kinder hier nicht nur wohlfühlen, sondern dass auch die Architektur zum spielerischen Entdecken einlädt“, sagt Senior Projektmanagerin Dagmar Boos. Insgesamt umfasst die Kita rund 1.350 Quadratmeter Nutzfläche, inklusive Dachterrasse und Uferzugang.

Aus Geschichte wird Gegenwart
Die Abläufe auf der Baustelle erforderten nicht nur technisches Know-how, sondern auch eine präzise Koordination im Alltag. „Mein Arbeitsplatz war zwei Jahre lang ein Container direkt auf der Baustelle“, sagt Lill rückblickend. „Das war intensiv – aber es hat sich gelohnt.“ Heute ist das Gelände durchlässiger gestaltet als je zuvor: Ein neuer Uferweg öffnet das Grundstück für die Öffentlichkeit, Begrünungen auf Dächern und Flächen schaffen Aufenthaltsqualität.
Mit der Revitalisierung des Eiswerks zeigt die Bayerische Hausbau Development, wie historische Substanz in moderne Nutzungskonzepte überführt werden kann. Die Verbindung von Technikgeschichte, Bildungsangebot und öffentlicher Nutzung macht das Projekt zu einem Beispiel dafür, wie Stadtentwicklung im Bestand gelingen kann –auch unter schwierigsten Bedingungen. Und so fließt nicht nur der Mühlbach wieder – sondern auch neue Geschichte durch alte Mauern.